5G-Netz in Deutschland: USA warnt vor Chinas Einfluss
Im Frühjahr 2019 werden in Deutschland die Frequenzen für den Mobilfunk der Zukunft versteigert. Technik des chinesischen Konzerns Huawei soll im 5G-Netz eine entscheidende Rolle spielen. Ist das ein Risiko?
Wie soll das Mobilfunknetz der Zukunft aussehen – und wer darf es aufbauen? Diese Frage wird gerade rund um den Globus intensiv diskutiert. Viele Staaten von Australien bis hin zu den USA vergeben dieser Tage Funkfrequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G.
In Deutschland werden die Frequenzen im Frühjahr 2019 versteigert, Montag hatte die Bundesagentur die Spielregeln für die Netzbetreiber nach wochenlangen Diskussion festgezurrt. Wer jedoch glaubt, damit sei die Debatte ums Thema 5G-Aufbau vorerst auf Eis gelegt, täuscht sich. Denn eine große, länderübergreifende Streitfrage steht weiter im Raum: Ist es vertretbar, beim Aufbau der 5G-Netze auch auf Technik aus China zu setzen?
Im Fokus des Streits steht das chinesische Privatunternehmen Huawei, einer der größten Telekommunikationsausrüster weltweit. Aus den USA wird der Firma eine zu große Nähe zur Regierung in Peking vorgeworfen, befürchtet wird etwa Spionage. Huawei dementiert derartige Vorwürfe jedoch regelmäßig und deutlich.
Kooperationen mit den drei großen Netzanbietern
In Deutschland soll Huawei entscheidend an den geplanten 5G-Netzen beteiligt werden. „Aufgebaut wird kommerzielle 5G-Technik von Huawei“, heißt es zum Beispiel auf der Website der Telekom, die wie auch Vodafone in Sachen 5G mit dem Unternehmen aus Shenzhen kooperiert. Von Telefónica heißt es auf SPIEGEL-Nachfrage, man arbeite im Netzbereich grundsätzlich mit mehreren Dienstleistern zusammen. Dabei setze man „ausschließlich auf anerkannte und zuverlässige Telekommunikationsausrüster, darunter auch Huawei“.
Auch die Telekom betont auf Nachfrage, dass sie in Sachen Infrastrukturelemente eine „Multi-Vendor-Strategie“ verfolge, also auf mehrere Anbieter setzt, darunter Ericsson, Nokia und auch Huawei: „Entsprechend haben wir beim Ausbau eine gute Mischung an Herstellern.“ Weiter heißt es: „Mit Blick auf zeitnahe Ausbau- und Investitionsbedarfe wird man es sich in Deutschland nur schwer leisten können, leistungsstarke Zulieferer auszuschließen.“
Auf Behördenseite ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) für das Thema zuständig. Dort hat Huawei Mitte November extra ein Labor eingerichtet, in dem es mit dem BSI beim Thema 5G und anderen Technologien zusammenarbeitet. Das BSI sei mit Huawei aber „nicht enger verbunden als mit anderen Herstellern auch“, heißt es von einem Sprecher des Bundesamts.
Die USA erhöhen den Druck auf Deutschland
Auf Skepsis stoßen die deutschen Netzaufbaupläne vor allem in den USA. Dort wurde den Netzanbietern mit Hinblick auf ein potenzielles Spionagerisiko bereits vor längerer Zeit verboten, Technologie von Huawei einzukaufen – ein Schritt, den sich die Amerikaner nun auch von Deutschland erhoffen.
Wie die „Financial Times“ am Donnerstag berichtet, war im November eine US-Delegation auf Europareise, dabei soll das Thema in Deutschland und Großbritannien mit Nachdruck angesprochen worden sein – und das wohl nicht ohne Folgen. Die Stimmung in der deutschen Regierung wandele sich zunehmend in Richtung Misstrauen gegenüber Huawei, will die „Financial Times“ von Insidern erfahren haben.
Ein Vertreter von Huawei allerdings, dessen Unternehmen alle Spionagevorwürfe abstreitet, antwortete der Zeitung auf die Frage, ob Deutschland Huawei vom Netzaufbau ausschließen könnte: „Bis jetzt habe ich noch nie von so etwas gehört.“
Dass aus Deutschland keine Signale der Skepsis gegenüber Huawei kommen, stimmt aber auch nicht: So sagte beispielsweise Mitte November ein hochrangiger deutscher Ministeriumsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters, dass es „ernsthafte Bedenken“ gebe: „Wenn es nach mir ginge, würden wir das tun, was die Australier tun.“ Auch Australiens Regierung hat sich entschieden, dass der 5G-Aufbau in dem Land ohne Huawei-Technik stattfinden soll.
Australien folgte den USA
Mit den USA verbindet Australien die Geheimdienstallianz „Five Eyes“, zu der neben Großbritannien und Kanada auch noch ein fünftes Land gehört, das gerade ebenfalls mit einem Anti-Huawei-Vorstoß Schlagzeilen macht: Neuseeland.
Neuseelands größter Telekommunikationsanbieter Spark hatte Mittwoch bekannt gemacht, dass er vom Geheimdienst des Landes die Auflage bekommen habe, beim 5G-Netzaufbau auf Huawei-Technik zu verzichten. Andrew Hampton, der Chef des Nachrichtendienstes GCSB, bestätigte die Angaben von Spark in einer kurzen Mitteilung – es sei ein „signifikantes Netzwerksicherheitsrisiko identifiziert“ worden, hieß es.
Das chinesische Außenministerium äußerte sich daraufhin „tief besorgt“, während sich Huawei über die Aussagen irritiert zeigte. Das seit 2005 in Neuseeland aktive Unternehmen betonte, es habe keinen formellen Kontakt zum GCSB gehabt. Man wolle sich nun dringend mit den zuständigen Ministern und Beamten treffen, um die Position der Regierung zu verstehen. Dem Unternehmen seien keine Belege für ein Fehlverhalten seinerseits vorgelegt worden.
Spionieren können allerdings nicht nur die Chinesen
Skepsis gegenüber Tech-Firmen aus China wurde zuletzt oft mit einem Gesetz aus dem Jahr 2017 begründet. Es besagt, dass chinesische „Organisationen und Bürger gemäß dem Gesetz die nationale Geheimdienstarbeit unterstützen, zusammenarbeiten und daran mitarbeiten müssen“. Unternehmen wie Huawei bestreiten aber, dass das Gesetz sie zwinge, der Regierung beim Ausspionieren anderer Länder zu helfen: „Wir sind von keiner Regierung irgendeines Staates jemals um eine derartige Zusammenarbeit gebeten worden“, heißt es von Huawei.
Grundsätzlich sind Mobilfunknetze für Staaten und ihre Geheimdienste ein wichtiger Weg, um an Informationen zu kommen. Die Netze können auf vielerlei Arten angegriffen werden, vom Einklinken in Funkmasten, Glasfaserleitungen und Knotenpunkte bis hin zum Hacken der Steuerungssoftware.
Mitunter sind die Netzbetreiber sogar verpflichtet, den jeweiligen Behörden einen Zugang bereitzuhalten. Technisch wäre es nicht schwer, neben „offiziellen“ Hintertüren noch einen anderen verdeckten Zugang zu schaffen, über den sich Daten aus dem Netzwerk leiten lassen. Dass sich die Geheimdienste dieser Welt offenbar in so ziemlich jedes System Hintertüren einbauen können, hat spätestens der Skandal um die amerikanische NSA gezeigt.
Bei wem wäre es am schlimmsten?
Frank Fitzek vom 5G Lab Germany der TU Dresden, das unter anderem mit der Telekom und Vodafone zusammenarbeitet, sagt, es sei klar, dass Behörden bei der Kommunikation theoretisch immer mithören können: „Die Frage ist nur, bei wem es am schlimmsten wäre.“ Fitzek plädiert an die Provider, aus Sicherheitsgründen nicht die gesamte Technik aus einer Hand, sondern von verschiedenen Ausrüstern zu kaufen.
Der Direktor des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste, Thomas Plückebaum, hält es allein schon aus Wettbewerbsgründen für riskant, wenn das 5G-Netz hauptsächlich mit chinesischer Technologie betrieben wird. Auch ohne Hintertüren mache man sich dadurch erpressbar. Er fordert daher mehr staatliche Vorgaben und Kontrollen.
Wollten oder müssten sie beim 5G-Netzaufbau auf eine Zusammenarbeit mit Huawei verzichten, könnten die deutschen Mobilfunk-Provider zum Beispiel auf europäische Ausrüster wie Nokia oder Ericsson aus Finnland beziehungsweise Schweden ausweichen. Deren Technik ist allerdings nicht so günstig wie die chinesische Konkurrenz und die Kaufentscheidung liegt bei Telekom, Vodafone und Telefónica.
Der Bundesregierung sind nach eigener Aussage die Hände gebunden: „Eine konkrete gesetzliche Grundlage mit der Rechtsfolge des kompletten oder teilweisen Ausschlusses eines bestimmten Anbieters vom 5G-Aufbau in Deutschland existiert nicht und ist nicht geplant“, hieß es dazu im Oktober in einer Stellungnahme der Regierung zu einer Anfrage der Grünen-Politikerin Katharina Dröge.
Die Amerikaner hatten danach offenbar noch Diskussionsbedarf.
Quelle: Spiegel Online