AllgemeinFinanzen

Vertikale Kapitalstrukturregel

Die vertikale Kapitalstrukturregel wird in der Regel damit begründet, dass die Ei­gentümer des Unternehmens mindestens ebensoviel zur Finanzierung beitragen müs­sen wie die Gläubiger. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass bei gegebener Kapitalverwendung das Risiko der Gläubiger um so geringer ist, je geringer der Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital ist, und dass vom Standpunkt der Si­cherheit einer Erschließung und Erhaltung von Fremdkapitalquellen ein möglichst großer Eigenkapitalanteil zweckmäßig und unter Umständen notwendig ist, was sich im Hinblick auf eine Quantifizierung auch aus den beiden vorherigen Kapiteln er­gibt. Die vertikale Kapitalstrukturregel vernachlässigt jedoch die Rentabilität als finanzwirtschaftliche Zielgröße und berücksichtigt daher nicht die Interessen des Finanzmanagements und der Eigenkapitalgeber. Im Rahmen einer moderaten Aus­nutzung des finanzwirtschaftlichen Leverage-Effektes kann durch die Vergröße­rung des Fremdkapitalvolumens die Eigenkapitalrentabilität verbessert werden, so­fern das zusätzlich eingesetzte Fremdkapital weniger kostet als es an Ertragskraft erbringt:

EKR = GKR + (GKR – FKZ)*FK:EK

Die sogenannte Leverage-Formel zeigt den Zusammenhang zwischen Verschul­dungsgrad (FK/EK) und der Eigenkapitalrentabilität (EKR). Der Verschuldungsgrad wirkt als Hebel auf die Eigenkapitalrentabilität. Der Hebeleffekt kann hierbei positiv (die Gesamtkapitalrentabilität (GKR) ist größer als der Fremdkapitalzins (FKZ)), aber auch negativ wirken (GKR < FKZ). Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie sich die Eigenkapitalrentabilität bei unterschiedlichen Verschuldungsgraden verhält.

Darstellung des Leverage Effekte

Insofern kann hierdurch unter partieller Vernachlässigung der vertikalen Kapital­strukturregel die Rentabilität verbessert und somit auch die Liquidität besser als durch eine strikte Befolgung dieser Regel sichergestellt werden.

Dies ist sicherlich einer der Gründe, warum der Verschuldungsgrad deutscher Unternehmen kontinu­ierlich gestiegen ist. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Eigenkapital aufgrund der in einer späteren Periode gesunkenen Ertragskraft des Unternehmens bei einem hohen Fremdkapitalanteil an der Gesamtkapitalausstattung durch nicht abbaubare Fremdkapitalkosten sehr viel eher und schneller angegriffen oder gar aufgezehrt wird als bei einem niedrigen Verschuldungsgrad. Insofern hat ein gut finanziertes Unternehmen mit niedrigem Verschuldungsgrad im Krisenfall erheblich länger Zeit, die Vermögensertragskraft durch operative Maßnahmen zu verbessern.

Abschließend ist zu konstatieren, dass durch den finanzwirtschaftlichen Leverage-Effekt die Dispersion der Rendite/Rentabilität und folglich das Gesamtrisiko der Unternehmung, d.h. die Wahrscheinlichkeitsverteilung der finanziellen Ergebnisse, vergrößert wird. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob der gestiegene Verschuldungsgrad zu einer finanzwirtschaftlich und risikopolitisch unvertretbaren Erhöhung des Gesamtrisikos geführt hat.